Forderungen der Teachers for Future Österreich
für eine klimagerechte Schule 2024
Sommer 2020
Der menschengemachte Klimawandel ist wissenschaftlich unbestritten und in seinen Folgen für die Menschheit unvergleichlich. Es bleiben nur wenige Jahre, um immer radikalere Schritte für tiefgreifende gesellschaftliche Veränderung zu setzen und somit einer für zehntausende Jahre andauernden Erderhitzung entgegenzuwirken. Gerade die Schule muss diese Bedrohung und das Thema Klimagerechtigkeit aufgreifen und an den notwendigen Veränderungen teilhaben.
Die Teachers for Future stellen hiermit Forderungen an die politischen und pädagogischen Entscheidungsträger*innen (Regierung, Ministerien, Bildungsdirektionen, Städte, Gemeinden, Direktionen, …) vor, um das Ziel der klimagerechten Schule so bald wie möglich zu erreichen. In zweiter Linie richtet sich der Text auch an alle Lehrenden – als Aufforderung, sich uns anzuschließen und die Umsetzung aktiv zu unterstützen. Diese Forderungen gliedern sich in zwei Bereiche: Ökologisierung des Schulalltags und Klimagerechte Bildung.
Die Umsetzung der nachfolgenden Maßnahmen fordern wir stufenweise bis 2024 (Ende der laufenden Legislaturperiode der aktuellen österreichischen Bundesregierung). Sie gelten für alle Schulstufen und -typen. Im Sinne des Qualitätsmanagements, und damit die Ziele systematisch erreicht werden können, sind die entscheidenden Institutionen – allen voran Bildungsministerium und Bildungsdirektionen – dazu aufgerufen, einen Stufenplan für die kommenden Semester und Jahre aufzustellen. Darin ist auch die fortlaufende Evaluierung der Umsetzung dieses Stufenplans durch ein unabhängiges Gremium vorzusehen.
1. ÖKOLOGISIERUNG DES SCHULALLTAGS
Es ist ein großer Widerspruch, dass Lehrer*innen zwar über Unterrichtsprinzipien und Lehrpläne dazu verpflichtet sind, den Schüler*innen den Umwelt- und Klimaschutz näher zu bringen, als Institutionen diesen Ansprüchen aber häufig selbst nicht gerecht werden. Große Institutionen wie Schulen haben derzeit noch einen großen ökologischen Fußabdruck, können dadurch aber auch einen relevanten Beitrag zur Einsparung von Emissionen leisten.
Die nachfolgenden zentralen Forderungen sind als erste Schritte eines umfassenden notwendigen Umgestaltungsprozesses zu verstehen, dessen finales Ziel ein CO2-neutraler und nachhaltiger Schulalltag ist.
Als Lehrer*innen sind wir uns der Vorbildwirkung der Schule bewusst. Deshalb fordern wir die Ökologisierung des Schulalltags in allen Bereichen.
- Klimabeauftragte an jeder Schule
Um den ökologischen Wandel schulautonom umsetzen zu können, braucht es Koordination an jedem Schulstandort. Zu diesem Zweck ist an jeder Schule ein Klimabeauftragter bzw. eine Klimabeauftragte zu ernennen, der/die in dieser Funktion auch ausgebildet sowie entlohnt wird. Die/der Klimabeauftragte muss in alle relevanten Maßnahmen an der Schule (Beschaffungswesen, Schulentwicklung, bauliche Veränderungen, Lehrplanänderungen, Veranstaltungen, …) eingebunden werden und hat ein Vetorecht, sollten klimaschädigende und ökologisch bedenkliche Entscheidungen getroffen werden. Wir fordern eine*n Klimabeauftragte*n an jeder Schule, der/die mit Budget und Entscheidungsbefugnis ausgestattet ist. - Autofreie Schulwege fördern
Der Individualverkehr und mit ihm die vielen „Elterntaxis“ tragen maßgeblich zum Klimawandel bei, verringern die Luftqualität, gefährden die Sicherheit anderer Kinder am Schulweg und verhindern nebenbei die für Kinder so notwendige körperliche Bewegung. Wir fordern die Förderung von autofreien Schulwegen. Das passiert im Idealfall dadurch, dass vor Schulen weitgehend autofreie Zonen (z.B. die etablierten Schulstraßen) geschaffen und sichere Radwege gebaut werden. Ein Teil der Lösung können außerdem Carsharing-Konzepte sein. Wenn autofreie Anreisen möglich sind, müssen Parkplätze vor Schulen und im Schulbereich zurückgebaut werden. Frei werdende Flächen in und vor Schulen können für Grünflächen, Bäume, Spielplätze etc. genutzt werden. Wir fordern für jede Schule gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Anbindung, Frequenz etc.) sowie sichere Schulwege für Radfahrer*innen und Fußgänger*innen. - Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern
Die Verbrennung fossiler Energieträger ist hauptverantwortlich für die enorm hohen Treibhausgasemissionen und den ständig steigenden CO2 Gehalt in der Atmosphäre. Um die Unabhängigkeit von Erdöl, Erdgas und Kohle zu erreichen, muss der Energiebedarf gesenkt und parallel dazu auf erneuerbare Energieträger umgestellt werden. Schulen weisen sowohl im laufenden Betrieb als auch bei Schulveranstaltungen ein hohes Einsparungspotential auf. Die Betreiber der Schulgebäude (Gemeinden, Länder, BIG, Orden, Private) und die Direktionen müssen gemeinsam Maßnahmen für die Unabhängigkeit von Erdöl, Erdgas und Kohle umsetzen. Weder für den Betrieb der Schulgebäude noch für den Unterricht darf die Verwendung fossiler Energieträger erlaubt sein. Das bedeutet Maßnahmen zur Energieeinsparung, Umstieg auf 100% erneuerbare Energieträger und Prüfung schulautarker Energieversorgung. Wir fordern die Unabhängigkeit der Schulen von fossilen Energieträgern. - Klimaschonende Schulreisen
Schulreisen leisten einen wichtigen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung der Schüler*innen und ermöglichen bereichernde Erlebnisse. Um die von der EU gesetzlich vorgegebenen Klimaziele erreichen zu können, und um auch die Lehrplanziele praktisch umzusetzen, müssen Schulveranstaltungen allerdings ausschließlich mit terranen Verkehrsmitteln durchgeführt werden d.h. auf Flugreisen ist zu verzichten. Nachhaltige Angebote bei Unterkunft, Verpflegung und Aktivitäten werden bevorzugt. Das Programm der Schulreise orientiert sich am möglichst geringen Ausstoß von CO2. Wir fordern klimaschonende Schulreisen.
- Klimagerechtes Buffet
Viele Schulbuffets bieten nicht nur ungesundes Essen und verursachen Unmengen an Abfall, sondern tragen mit ihrem wenig nachhaltigen Angebot auch darüber hinaus zur Klimakrise bei. Eine weitgehend fleischlose, regionale und saisonale Ernährung sowie die Reduktion bzw. Mehrfachnutzung von Verpackungsmaterial sind deshalb wichtig. Übriggebliebene, noch essbare Lebensmittel sollten am Ende des Tages von den Buffetbetreiber*innen nicht weggeworfen, sondern in Zusammenarbeit mit Foodsharing-Initiativen verteilt werden. Wir fordern, dass Schulbuffets nach den Kriterien ökologischer Nachhaltigkeit geführt werden. Die Verantwortlichen haben geeignete Vorgaben für Schulkantinenbetreiber*innen zu erlassen und durch geeignete Fördermaßnahmen zu unterstützen. - Müllvermeidung und Mülltrennung
An vielen Schulstandorten wird Mülltrennung nicht korrekt durchgeführt – ein trauriger Missstand, der auch mit sich bringt, dass Schüler*innen diese falsche Handhabe von uns lernen. Wir fordern verpflichtete Mülltrennung an jeder Schule Österreichs. Zielvorstellung muss die abfallfreie Schule sein.
- Finanzierung für Ökologisierung
Die Finanzierung der notwendigen Maßnahmen darf nicht auf die Schüler*innen oder einzelne Standorte abgewälzt werden. Mitzudenken sind bspw. sowohl bauliche Veränderungen als auch die Förderung nachhaltigen Kantinenessens. Sozioökonomische Ungleichheiten dürfen bei alldem nicht verstärkt, sondern müssen mitgedacht und ausgeglichen werden. Dabei sollte auch beachtet werden, dass es durch klimafreundliche Entscheidungen auch Einsparungspotenzial gibt, etwa langfristig bei Gebäudesanierungen. Wir fordern die Ausfinanzierung von Ökologisierungsmaßnahmen.
2. KLIMAGERECHTE BILDUNG
Klimagerechtigkeit ist die Grundlage für soziale und für ökologische Gerechtigkeit, sie bedingt Verantwortung gegenüber den Mitmenschen und gegenüber der Natur. Sie muss von allen Menschen mitgetragen werden und ihre Umsetzung ist daher auf Basis demokratischer Entscheidungen zu treffen. Sie ist ein globales Ziel. Ihre Umsetzung beginnt und beruht auf lokalen Handlungsebenen. Dafür ist entsprechendes Wissen erforderlich. Deshalb fordern wir, dass Unterricht bzw. Wirken in der Schule auf klimagerechte Lebensweisen abzielt.
- Klimabildung bereits in der Pflichtschulzeit
Aktuell bleibt es Lehrer*innen größtenteils selbst überlassen, ob oder in welchem Ausmaß sie über die Klimakrise informieren. Viele Schüler*innen durchlaufen so ihren schulischen Bildungsweg, ohne ein ausreichendes Verständnis für die voranschreitende Krise zu erlangen. Stattdessen müssen alle Aspekte der Klimakrise – naturwissenschaftliche Prozesse bis hin zu ethischen und wirtschaftlichen Aspekten der Klimagerechtigkeit – im Lehrstoff verankert werden. Wir fordern, dass bereits im Laufe der Pflichtschulzeit eine weitreichende Aufklärung über die Klimakrise sowie Klimagerechtigkeit sichergestellt wird und Handlungsoptionen im Umgang mit der Krise erschlossen werden. - Klimagerechtigkeit und Ethik
Die Auswirkungen der Krise treffen aktuell überproportional Menschen im globalen Süden, also aus Regionen, die nur wenig zur Erderhitzung beigetragen haben. Klimagerechtigkeit bedeutet, dass die Hauptverursacher der Krise auch die Hauptverantwortung dafür tragen, sie zu bewältigen. Dieses ethische Prinzip muss Schüler*innen im geplanten Fach Ethik und im Religionsunterricht vermittelt werden. Damit ist selbstverständlich nicht die Thematisierung in anderen Gegenständen (GWK, GSPB, …) ersetzt. Wir fordern die Behandlung von Klimagerechtigkeit im neuen Unterrichtsfach Ethik und im Religionsunterricht.
- Politische Teilhabe und Engagement
Die Gesellschaft der Zukunft braucht aktive Gestalter*innen. Daher ist es wichtig, die gesellschaftliche Teilhabe und das Engagement der Schüler*innen zu fördern. Es darf deshalb keine Bestrafung von Schüler*innen für politisches Engagement geben. Stattdessen müssen die Schulen selbst Möglichkeiten für Partizipation schaffen. Wir fordern verstärkte Einbeziehung von Schüler*innen in politische Entscheidungen, auch am Schulstandort. - Erziehung für den Wandel
Wir stecken bereits mitten in der Klimakrise, Veränderungen in unserem Lebenswandel sind deshalb nicht nur notwendig, sondern in vielerlei Hinsicht unabwendbar. Die Schule muss die Aufgabe wahrnehmen, Kinder und Jugendliche auf diese Veränderungen vorzubereiten, Althergebrachtes kritisch zu hinterfragen und Offenheit für neue Lebensentwürfe aktiv zu fördern. Wir fordern, dass kreative Lösungskompetenz gefördert sowie die Entwicklung von positiven Zukunftsvisionen und Utopien Teil des Unterrichts werden. - Unterrichtsmaterialien auf neuestem Stand
Geeignete Unterrichtsmaterialien zur Thematisierung und Information über die Klimakrise sind für die Lehre von größter Bedeutung. Jedes Schulfach kann und muss auf diese Inhalte eingehen und konkrete Handlungsoptionen aufzeigen. Dabei ist auch auf die Verwendung von akkuraten Begrifflichkeiten – “Klimakrise” statt “Klimawandel”, sowie “Klimagerechtigkeit” – zu achten. Wir fordern, dass Schulbuchreihen nur unter der Bedingung approbiert werden, dass sie diese Inhalte abdecken. - Aus- und Fortbildung
Es braucht fachlich kompetente Lehrkräfte, um die Klimakrise angemessen im Unterricht zu behandeln. Dies muss einerseits in der Ausbildung der zukünftigen Lehrkräfte sichergestellt werden. Andererseits muss auch der bestehende Lehrkörper an jedem Standort die nötige Expertise, zum Beispiel durch Fortbildungen, erlangen. Wir fordern Maßnahmen, um die Expertise der Lehrkräfte zur Klimakrise auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft abzusichern. - Wissenschaft statt klimaschädigendes Lobbying
Als Lehrer*innen vertrauen wir auf wissenschaftliche Erkenntnisse, aufgrund derer seit Jahrzehnten vor den katastrophalen Auswirkungen von erhöhten Treibhausgasemissionen und Umweltzerstörung gewarnt wird. Weltweit werden von etlichen Unternehmen und Organisationen sehr viel Geld und Ressourcen verwendet, um die Klimakrise zu verharmlosen und Zweifel an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu streuen. Schule muss auf allen Ebenen – Unterrichtsmaterial, Lehrpläne, Werbung usw. – unabhängig von klimaschädigendem Lobbying sein.
Teachers for Future Österreich, 17.4.2020 (Update: 3.8.20; Update zu Schulreisen am 30.3.2023)