Offener Brief
an den Bildungsminister – Nachhaltigkeit an Schulen mit gebührender Dringlichkeit stärken
Unterzeichnet von Teachers For Future, AG Schule der Scientists for Future, Psychologists For Future, Parents For Future & Grandparents For Future
12. Sep. 2023
Sehr geehrter Herr Bundesminister Polaschek!
Als Lehrer*innen, Wissenschaftler*innen, Psycholog*innen und (Groß-)Eltern eint uns angesichts der Klimakrise die Sorge um unsere Kinder und Jugendliche.
Wir begrüßen die feste Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in den neuen Lehrplänen, mit deren Umsetzung Schulen „Modelle für eine zukunftsfähige Lebensgestaltung“ werden können.
Nachhaltigkeit ist ein Gerechtigkeitskonzept mit dem Ziel, allen Menschen weltweit – heute und in Zukunft – ein gutes Leben innerhalb der ökologischen Grenzen des Planeten zu ermöglichen.
BNE will daher nicht nur Faktenwissen vermitteln, sondern auch junge Menschen ermutigen und befähigen, eine wünschenswerte Zukunft aktiv mitzugestalten. Dies funktioniert, wenn Schule das, was sie lehrt, auch selbst lebt. Dieser „Whole School Approach“ beinhaltet unter anderem den Weg zu Klimaneutralität in Bezug auf Verpflegung, Schulweg und -reisen sowie im Umgang mit Energie. Ohne strukturellen Rückhalt ist es für Lehrende schwer bis unmöglich, auch noch diesen Herausforderungen gerecht zu werden. Zur raschen und erfolgreichen Umsetzung der ehrgeizigen Ziele des neuen Lehrplans brauchen sie daher mehr förderliche Strukturen, die nur mithilfe des BMBWF wirkungsvoll auf- und ausgebaut werden können.
Um die katastrophalen Auswirkungen der Klimakrise aufzuhalten oder zumindest zu bremsen, sind rasche, tiefgreifende Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft unumstritten notwendig. Dies betrifft auch und ganz besonders die Schulen. Teachers for Future Österreich haben daher bereits im Jahr 2020 einen Forderungskatalog für eine klimagerechte Schule 2024 aufgestellt.
Forderungen für eine klimagerechte Schule 2024
September 2020
Im Sommer 2020 wurden 14 Forderungen für eine klimagerechte Schule formuliert und veröffentlicht. 7 Forderungen betreffen die Ökologisierung des Schulalltags, 7 Forderungen betreffen eine klimagerechte Bildung. Eine stufenweise Umsetzung wurde bis 2024 (Ende der Legislaturperiode) gefordert.
In den darauffolgenden Gesprächen mit Bildungsdirektionen hat sich ein schwer durchschaubarer Dschungel an unklaren Zuständigkeiten gezeigt, den zu durchdringen ohne Mithilfe der Bildungsdirektionen und des BMBWF unmöglich ist. Dennoch wurde versucht, im vorliegenden Forderungskatalog einige Maßnahmenbereiche zu identifizieren, die konkret im Wirkungs- oder Einflussbereich der Bildungsdirektionen liegen.
Dass ernstzunehmende Maßnahmen insbesondere im Schulsektor rasch geplant und umgesetzt werden müssen, zeigt die Tatsache, dass nur ca. 11% der Schulen in Österreich dem Ökolog-Netzwerk angehören, etwa 8,6% dem Klimabündnis (oft dieselben Schulen) und sogar nur rund 2,3% (nämlich 134 Schulen) das Österreichische Umweltzeichen tragen. Auch wenn die Schulen zuweilen schwierige Ausgangslagen haben, zeigt dies deutlich den dringenden Handlungsbedarf auf.
Integraler Bestandteil einer echten und konsequenten Klima- und Nachhaltigkeitsstrategie für das österreichische Schulwesen ist die Entwicklung von Stufenplänen – also “Fahrplänen” mit konkreten und terminisierten Schritten sowie Zielverpflichtungen – durch die Bildungsdirektionen und auch das BMBWF, die aus unserer Sicht derzeit noch fehlen oder kaum ausreichen, inklusive der Bereitstellung der dafür notwendigen Ressourcen. Zudem sollte die Einhaltung dieser Ziele durch eine unabhängige Stelle regelmäßig evaluiert und öffentlich kommuniziert werden. Verfehlungen der Ziele sollten an bestimmte Konsequenzen für die jeweiligen Institutionen gekoppelt sein, die noch auszuarbeiten sind. Solche Stufenpläne und Kontrollgremien sollten mit höchster Priorität ausgearbeitet und eingerichtet werden. Die derzeitigen Sommerferien 2021 sind ein einmaliger Zeitpunkt hierfür.
Der nachfolgende Katalog enthält zentrale Handlungsfelder, in denen dringender Aktionsbedarf besteht und die einerseits zu konkreten Emissionsreduktionen führen, andererseits auch für die Bewusstseinsbildung von Schüler:innen, Lehrenden und Eltern wesentlich sind. Es soll den Schulen überlassen bleiben, über diese Handlungsfelder hinaus Schritte zu setzen.
Wir zählen auf Ihre Mitwirkung!
Angesichts der außerordentlichen Dringlichkeit der Klimakrise bitten wir Sie daher bis November 2023:
1. die Finanzierung strukturell verankerter, bezahlter Klimabeauftragter an allen Schulen und deren Koordination in den Bildungsdirektionen ab dem kommenden Schuljahr 2024/25 zu garantieren, sowie deren Arbeit sowohl öffentlich als auch in Kooperation mit den Bildungsdirektionen zu stärken,
2. Klimaneutralität, klimagerechte Bildung und Ökologisierung des Schulalltags als verpflichtende Entwicklungs-Themen für alle Schulen zu verankern und damit echte Klimaneutralität 2040, zu der sich Österreich verpflichtet hat, unmissverständlich zu priorisieren,
3. sich in den regelmäßigen Treffen mit den Bildungsdirektionen dafür einzusetzen, dass sich mindestens eine pädagogische Konferenz pro Schuljahr dem Thema BNE widmet, und dass einmal pro Semester Vertreter*innen von Scientists & Teachers For Future und anderen Expert*innengruppen zu diesen Treffen eingeladen werden.
Wir betonen die wissenschaftlich gesicherte Dringlichkeit dieser beispielhaft genannten Handlungsoptionen. Das BMBWF ist ausgezeichnet aufgestellt und in der Lage, ihre positive Umsetzung zu ermöglichen. Im Rahmen der Möglichkeiten als zivilgesellschaftliche Organisationen möchten wir diese Entwicklung konstruktiv und tatkräftig begleiten.
Mit besten Grüßen
Kontakt:
Teachers For Future Österreich: info@teachersforfuture.at
Scientists For Future Österreich: schule.at@scientists4future.org